Rückreise 26.08. bis 30.09.2023, Jersey, Solent, Belgien, Amsterdam, Ijselmeer, Kanäle und Nordsee

Wieder Zuhause!
heute, am 29.09.23 sitze ich nach 5 Monaten, 5 Ländern, 3020 Seemeilen und 57 Häfen an Bord an meinem Heimatliegeplatz und schreibe über die letzte Etappe der Reise.
Diethard ist am Mittwoch nach dem obligatorischen Besuch beim griechischen Restaurant Syrtaki  in Büdelsdorf von Bord gegangen; Uwe gestern Nachmittag nach Ankunft in Kiel. Ich habe die letzte Nacht noch mal am Anker liegend verbracht und die Reise für mich ausklingen lassen.
Es war spannend, diese letzte Etappe, Kanalinsel Jersey, Solent,  über Amsterdam die Kanäle in Holland entlang der stehenden Mastroute um schlechtem Wetter auf der Nordsee auszu- weichen, nach Norderney und Cuxhaven durch den Nordostsee Kanal. Davon unten mehr.

Mein persönliches Fazit: jeder Tag hat sich gelohnt, Eindrücke Menschen, Segeln.
Mein seglerisches Highlight: die Tidennavigation in Frankreich und dem englischen Kanal. Für mich eine großartige Herausforderung, die die Navigation auf eine komplexere Stufe bringt als wir Ostseesegler das im Allgemeinen brauchen. Super Denkaufgaben für mich.
Mein kulturelles Highlight: die Tage in La Rochelle, Musik, Chansons, mediterranes Feeling
Meine größte Herausforderung: Die Crewwechsel mit dem damit verbundenen Timing und der wiederkehrenden Einstellung auf andere Menschen. Am besten hat das für mich geklappt, wenn ich ein paar Tage dazwischen alleine war, am schwierigsten war es nach Saint Malo, wo meine Familie von Bord ging und im direkten Anschluss die Rückreisecrew kam. Dafür ist Fleetwood doch ein verhältnismäßig kleines Boot, das wenig Platz zum Ausweichen bietet.
Außerdem hatte ich während der Tour bereits bis England so viele Eindrücke gesammelt, dass ich quasi keine Aufnahmefähigkeit für Besichtigungsprogramme hatte und nach Hause wollte!

Nun genug Fazit; wie war´s:

Jersey! St. Helier
Samstagnachmittag, meine Familie ist von Bord, Diethard ist da. Eigentlich wollten wir noch einen Tag in Saint Malo bleiben, doch ich bin des Sightseeings müde und brenne wieder zu segeln.
Also mit dem ablaufenden Wasser raus, Jersey ist gut dreißig Meilen entfernt, sollte schnell gehen, obwohl der Wind auf NW 4 drehen und damit kurz vor dem Ziel, zusammen mit der Strömung, von vorne kommt. Eine Herausforderung vor allem für Diethard: noch nicht ganz angekommen und die letzten 8,5 sm werden eine drei Stunden Angelegenheit. Am Ende schaffen wir es und am nächsten Morgen tanken wir erstmal steuerfrei echten Marinediesel und fahren dann bei Hochwasser über die Mauer in den inneren Hafen. Was ist eigentlich echter Marine Diesel? Wer Interesse hat liest meinen Technik Report.
Und dann doch wieder Sightseeing, gegenüber vom Hafen kann man das buchen und so sitzen wir den nächsten Tag zu einer ganztägigen Inselrundfahrt bei George im Bus. George redet „ohne Punkt und Komma“, ob es die Geschichten zu den sagenhaften Jersey Kühen oder die Kommentare zu den Fahrkünsten seiner Mitinselbewohner sind, wie „drei Einheimische und ein Bus an der Kreuzung nennt sich auf Jersey Stau“, am Ende verstehe ich kein Englisch mehr.

Cherbourg
Von Jersey aus geht es nach Cherbourg, hier kommt Uwe an Bord und wir sind damit komplett für den Törn nach Kiel. Vorher der Reise nach Kiel aber gibt es noch ein Highlight, das eigentlich überhaupt nicht geplant war, nämlich den

Solent
Einmal quer über den Kanal, durch die Großschiffahrtwege, die man nur rechtwinklig durch- fahren darf. Wir legen morgens um 07:30 ab und es geht bei anfänglich Nordwest, später Westwind insgesamt 73,2 sm bis 20:10 flott über den Kanal und dann von Westen mit der Tide rein in den Solent. Es ist beeindruckend, rechts und links kocht das Wasser, die Zufahrt ist ein richtiges Nadelöhr und auch zwischen den Needles, den hochragenden Felsen an der Einfahrt, kommt noch mal viel Wasser seitlich durch. Unser erster Hafen ist

Yarmouth auf der Isle of Wight.
Ein rundum überzeugender Service im Hafen. Drei Schlauchboote und ein Hafentaxi sorgen für Liegeplatzzuweisung, Mannöverhilfe und Transfer von Mooringen oder den beiden langen Stegen, die keinen direkten Landzugang haben. Mannöverhilfe ist hier auch nötig, weil der Hafen in einer Flußmündung liegt und damit der Tidenhub mit der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses überlagert wird. Wir überlegen was zu tun ist um einen bestmöglichen Eindruck von der Insel zu bekommen und buchen wieder einen Touristenbus, gibt es für Senioren billiger, was für die Crew zutrifft. Wir fahren nachmittags noch zu den Needles und wollen am nächsten Tag zur Süd und Ostseite der Insel, wo die bekannten Seebäder sind. Und dann geht es los, dafür geht die Karte nämlich nicht, sondern man braucht zusätzlich noch die Fahrkarte für den öffentlichen Bus. Peter am Fahrkartenschalter erklärt sich schließlich bereit unsere bereits gekauften Karten mit einem Upgrade zu tauschen. Dafür verspreche ich ihm, ihn besonders in meinem nächsten Reisebericht zu erwähnen. Dieser Service ist aber wirklich auch außerordentlich. Ich erlebe die Menschen insgesamt als super freundlich, und alle schimpfen auf den Brexit….(warum haben sie den dann nur gewählt....)
Apropos Brexit: wie geht das bei der Einreise mit dem Boot? Den Hafenmeister und seine Helfer interessiert das überhaupt nicht und unsere gelbe Flagge als Signal, dass wir noch keine Grenzformalitäten erledigt haben wird von den Stegnachbarn entsetzt zur Kenntnis genommen, die ist nämlich auch bekannt als Quarantäne Signal, wenn z.B. jemand ansteckend krank ist an Bord. Also, beim Hafenmeister hängt die Telefonnummer vom Grenzschutz, da muss man anrufen, bekommt eine E-Mail Adresse genannt an die man dann Fotos von Bootsdaten und Reisepässen schickt. Drei Stunden später kommt dann die „Freigabe für die Einreise“ ebenfalls per E-Mail und erst dann darf man offiziell an Land. Bei der Ausreise wieder abmelden per
E-Mail. Ich habe keine Ahnung, was passiert, wenn man das nicht macht….überprüft hat es niemand.

Nach den Bustagen segeln wir beeindruckende 9,3 Seemeilen zum berühmten Cowes.
Auch Cowes liegt in einer Flussmündung. Wir liegen in der East Cove Marina und der Hauptort ist auf der andern Seite des Flusses. In der dortigen Marina findet gerade die Weltmeister- schaft der 6 mR Bootsklasse statt und es ist richtig voll. Von der Ostseite zur Westseite fährt kontinuierlich eine Fähre die sich an zwei gewaltigen Ketten über den Fluss hin-und herzieht. Wir schauen uns den quirligen Ort an in dem aber zwischen 17:30 und 18:00 Uhr im wahrsten Sinne die „Bürgersteige hochgeklappt“ werden, Weltmeisterschaft hin und her. Es gibt ein paar Geheimtipps wo was los ist, aber warmes Essen sollte man bis 20:00 spätestens geordert haben, weil dann die Küchen geputzt werden. Wie großartig war das doch in Spanien, da machte die Küche erst um 20:00 auf...

Porthmouth ist unser nächster Hafen. Inzwischen haben sich die Temperaturen wider steil nach oben entwickelt und es hängt eine fast schon mediterrane Atmosphäre in der Luft. Wir besuchen das Navy-Museum. Liegeplatz der berühmten Victory. 44€ Eintritt finde ich frech, aber irgendwie muss sich das ja alles finanzieren. Auf der Victory hat Lord Nelson in der Schlacht von Trafalgar gegen die Franzosen gewonnen, hat es aber auch selber nicht überlebt . Ein sehr interessant gestalteter Rundgang.

Southampton, wo wir doch schon mal hier sind muss natürlich auch diese Stadt auf dem Törnplan stehen, gibt schließlich einen bekannten Fussballverein….um es kurz zu machen. Der Besuch hat sich gelohnt um mal zu sehen, wie hässlich man eine im zweiten Weltkrieg zerstörte Stadt wieder aufbauen kann. Wer aber Shoppen liebt findet hier in hunderten von Geschäften alles was das Herz begeht, aber leider nur wenige gemütliche und sehenswerte Ecken.

Eigentlich hatte ich ja die Nase bereits voll vom vielen Sightseeing, so bin ich heilfroh als wir endlich aus dem Solent raussegeln und mit Chichester Harbour eine Ankerbucht auf dem Törn Plan steht. Immer noch begleiten uns die mediterranen Temperaturen, es wird ein grandioser Abend mit Grillen an Bord und auch am nächsten Morgen laden die Temperarturen als erstes zum Baden ein. Ich tauche unters Boot und schruppe die Umgebung vom Log (Geschwindigkeits) Sensor. Den hatte ich am Tag zuvor von massivem Muschelbewuchs befreit nachdem er bis zu 25% zu wenig angezeigt hatte.
Nebenbei schwimme ich auch noch 8-mal ums Boot, was auf der einen Seite mit dem Strom ein schneller Spaß, auf der anderen Seite gegen den Strom eine echte Herausforderung ist. Uwe geht eine Stunde später schwimmen und ich muss blass vor Neid anerkennen, dass er einfach mehr schafft, aber der Strom ist auch annähernd null.

Mit dem passenden Strom machen wir uns mittags auf den Weg nach Brighton, der wohl berühmteste Badeort Südenglands. Eine gewaltige Betonmole umgibt den künstlich zu Kanal vorgebauten Yachthafen. Ein Besuch der berühmten Seebrücke ist natürlich unumgänglich. Wir als Ingenieure wundern uns, dass das auf den dünnen Beinen und Pfählen alles so hält. Die Engländer wussten wohl, warum sie aus dem sehr sicherheitsbasierten Regelwerk der EU raus wollten. Kaum zu glauben, wenn eine EU-Richtlinie den Betrieb solcher fragielen Bauwerke eingeschränkt, oder sogar verboten hätte.

Mit Brighton ist unsere Zeit in Großbritannien zu Ende, es geht in einem Rutsch nach Frankreich, Belgien und dann Holland. Hier ist unser erstes Ziel Amsterdam.

Auf der Nordsee hat sich ein Sturm aufgebaut und wir wollen dem durch den Weg über die „stehende Mastroute“ eine Reihe von Kanälen mit Brücken zwischen Amsterdam und der Ems, entgehen. Dazwischen gibt es von den holländischen Seen, die die Holländer Meere nennen, auch direkte Zugänge zur Nordsee.

Mein Fazit: unbedingt lohnenswert, eine ganz eigene Erfahrung und der Weg durch verschiedene Orte und quasi durch Kuh- und Schafswiesen belohnt mit immer neuen Eindrücken.
Kehrseite: es ist nicht einfach bei dem starken bis stürmischen Sudwestwind der uns vor den von uns zu querenden ca. 25 Brücken immer wieder zum Warten zwingt. Warten heißt senn mit der 12 meter langen Fleetwood auf einem ca. 20m breiten Kanal so lange zu kreisen, bis die Brücke dann endlich aufgeht. Für mich super anstrengend, hier wäre eine moderne Yacht mit Bugstrahlruder deutlich im Vorteil. Egal, wir genieß0en einen regnerischen Abend für 14 € Liegegeld im malerischen Dokkum und nach 2,5 Tagen sind wir am Ziel in der Schleuse zur Nordsee in Lauwersoog. Ich muss noch eine Seekarte kaufen um aus dem Wattfahrwasser und Seegatt auch tatsächlich auf die Nordsee zu kommen. Alles klappt und wir laufen am 21.09. in Norderney ein, wo der Hafenmeister als erstes wissen will,  wie weit wir denn gekommen sind. 2894,4 Seemeilen liegen im Kielwasser. Wir warten hier zwei Regenschauertage ab. Der Rest ist Routine, bei Sonnenschein nach Cuxhafen, es ist Diethards Wunsch hier halt zu machen, dann Brunsbüttel und am Mittwoch den 27.09. durch den  Nordostseekanal. Abends treffen wir die Fleetwood Crews und die treuen Partner in Büdelsdorf bei Rendsburg zum griechisch essen wieder. Diethard wohnt in der Nähe, steigt hier aus und fährt mit seiner Familie nach Hause.
Am Donnerstag sind es noch vier Stunden bis Kiel.
Beim Schleusen ein Novom: auf meine Frage beim Schleusenwärter wie lange wir warten müssen ein kurzes „Moment mal, wie machen wir das denn jetzt….“, und die weitere Antwort: „wir machen nur für euch die Nordschleuse auf, fahrt rein sobald das Tor weit genug auf ist und macht fest wo ihr wollt…“ Ein Segelboot in einer riesigen Schleuse.

Und dann hat uns der Kieler Hafen wieder. Zunächst ein Nachmittag bei meinem ersten Verein, der Seglervereinigung Kiel. Uwe kommt von hier gut zum Bahnhof. Eine letzte Nacht für mich am Ankerplatz in Friedrichsort. Zeit dies zu Ende zu schreiben.

Ich freue mich auf meine Familie und meine Freunde. Zurück Zuhause!

 

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Kanalinsel Jersey, die “besten Kühe überhaupt”, beindruckende Küste, ehemalige dt. Bunker

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Die Rückreisecrew,
                      Diethard und Uwe

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Isle of Wight von Süden kommend mit den Needles links

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Legendäre Clubs & Startkanonen von Cowes -  “Attention! Canons may be used at any time”

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Portsmouth, das Navy Museum mit der Victory links, Dominierend der Spinnaker Tower

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Sonnenuntergang Chichester Harbour, wohltuende Ruhe nach dem Lärm von Cowes, Portmouth & Southampton

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Seebad Brighton mit dem Rummelplatz am Ende der berühmten Seebrücke

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Spinnaker Segeln und Schleusen auf dem Weg nach Amsterdam, Sixhaven in der Stadt

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Schleusen ins Ijselmeer und Kanalfahrt mit einsamen Übernachtungsplätzen

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Abschlusscrewtreffen mit Familien, Schlausen in Holtenau und Ende der Reise

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