Angekommen und dennoch Unterwegs
Ria de El Ferrol
Hier sitze ich nun, an meinem dritten Ankerplatz in der Ria de El Ferrol, unter Deck und schreibe. Heute ist Samstag und seit letztem Montag bin ich alleine Unterwegs. Hatte heute Morgen mit dem Anker ein heftiges Desaster, aus dem ich aber als heldenhafter „Grand-Master of Desaster“ heraus gekommen bin. Draußen ist es vor Hitze nicht auszuhalten und so kann ich entspannt unter Deck darüber schreiben. Was war passiert: ich habe zu dicht am Bojenfeld vor La Grana geankert und die Wirkung vom Strom der Tide unterschätzt. Dazu kommt, dass die roten Bälle keine Moorings sind, sondern Ankerbojen, die die Zugleinen der Korbfischer, die in ordentlicher Entfernung wiederum verankert sind, markieren. Korbfischer haben an einem langen Kunststoffrohr einen Korb von ca. 60x60x30 cm mit denen sie in 8 Meter Tiefe den Grund nach Großkrebsen und Lobstern abkratzen. Damit das funktioniert benötigen sie einen Festhaltepunkt! Boot, Boje und Zugleine bewegen sich nun Tidebedingt mit dem hin und her des Wassers, das Boot zusätzlich noch durch den Wind. In meinem Fall immer schön umeinander herum…Naja, final hatte ich heute Morgen den gordischen Knoten, den es zu lösen galt. Zwei Stunden schwimmen, tauchen, ziehen, entlasten wobei das fallende Wasser genau passend kam. Am Ende habe ich es gelöst das Thema: Anker und Ankerleine gerettet!
Nun aber zu Ferrol: hier fährt kaum ein Tourist oder Segler hin. Ich fahre vom Ankerplatz mit dem Schlauchboot in die Stadt und dort liegt nur ein einziger Gast! Am Hafen gibt es aber gleich einen guten Cappucino! Ferrol ist der größte Militärhafens Spaniens, außerdem Werft-und Windenergieanlagenindustrie und ein LNG Terminal und im Außenbereich ein Containerterminal, soll das zweitgrößte Spaniens sein. Im Reiseführer steht: „Ferrol hat keine Schokoladenseite, keine „touristischen Muss-Attraktionen“. Ich finde die Stadt dennoch mit ihrer großzügigen Anlage aus dem 18./19 Jahrhundert reizvoll. Teilweise sehr gepflegt, belebt, aber andererseits mit einigen verfallenden Häusern, besonders in der Altstadt am Hafen sehr „rustikal“. Ich gehe 2,5 km durch die Stadt, am Ende Einkaufen im Supermarkt und mit der gefühlt 10 kg schweren Tasche in Parallelstraßen zurück. Eine kleine Pause mit einem Glas Estrella Galizia und einem kleinen Lunch unterbricht das allerdings angemessen.
Am Vortag hatte ich das Castello de San Felippe besucht, wo ich in der Bucht vor Pereiro ebenfalls geankert hatte. Meine Empfehlung hat der Besuch dieser beeindruckenden Anlage allemal: 5 Sterne bei Google. Kostet nichts und wo man hingeht, welches Risiko man beim Besuch der einzelnen Anlagenteile eingehen will, bleibt einem selbst überlassen. Ein ausgedehnter Spaziergang durch den pittoresken Ort rundet meinen Landgang ab. Ereignis des Tages ist aber der Besuch der Coast Guard mit komplettem Check der Papiere (Ausweis, Bootsregisterschein, Versicherung) und Fragen nach dem Woher und Wohin. Nun habe ich ein weiteres Zertifikat an Bord. Dem Steuermann mache ich noch ein Kompliment für seine umsichtige, exzellente Fahrweise mit dem Wachboot
Heute warte ich noch auf den Abend, um dann die Süßwasserdusche am Strand nutzen zu können. Drei Tage Salzwasserbad schreien nach Entsalzung vor dem Gang in die Koje. Sonst: abwarten das morgen nicht mehr über 30 Grad sind! ES soll noch nach Sada gehen und es wird ein super Segeltag.
Was war vorher los?: Santiago de Compostella
Am 04.06. kommt meine Frau Birte für 2 Wochen nach Galizien. Sie kommt am Flugplatz Santiago de Compostella an. Da liegt es nahe, diese bekannte Stadt als erstes zu besuchen. Spätestens durch Hape Kerkelings verfilmten Roman über den Jacobsweg, „Ich bin dann mal weg“, weiß gefühlt „jeder Deutsche“ wo das ist oder ist schon mal hierhin gepilgert. Ich habe eine Ferienwohnung nahe der Kathedrale gemietet und die Stadt fängt uns mit ihrer Faszination sofort ein. Manche Spanier sagen, Viego arbeitet, Santiago de Compostella betet und A Coruña ….komme ich später drauf zurück! Auf jedem Fall ist Santiago Weltkulturerbe und Inhaber des Europäischen Städtepreises für die best restaurierte Altstadt (1996). Und in der Tat, eine gewisse Verklärtheit in den Blicken der Pilger, die auf dem Vorplatz der Kathedrale in der Sonne liegen, ist unverkennbar. Mag es nun an der Stadt liegen, der Ankunft oder dem Gefühl dem Apostel Jacob jetzt so nahe zu sein….Da stört es wenig, dass die frühere zentrale Pilgerherberge aus dem 15.Jahrhundert heute das teuerste Hotel der Stadt ist (Parador Hostal dos Reis Católicos, ab ca. 250€/Nacht.) Auch die gefühlte schnellimbissmäßige Abfertigung in den Restaurants stört wenig, gibt es doch so viele, dass durch die Konkurrenz die Preise moderat sind. Hauptsache hier sein scheint das Motto zu sein.
Wir lassen uns ein bisschen treiben und werden an einer Ecke, wo wir offensichtlich orientierungslos wirken (wir fragen uns gerade…wo kommen sie denn, die Pilger….?), auf Deutsch angesprochen. Thomas lebt schon seit 30 Jahren hier und wartet auf seine Frau, die beim Zahnarzt ist. Auf seinen Rat ordern wir ein Taxi und fahren zum Monte do Gozo (Berg der Freude). Hier ist die letzte Landmarke des Jacobsweg, noch 4,7 km und die wollen wir nun auch wandern. Gibt zwar kein Pilgerzertifikat, aber trotzdem, nur mal ein bisschen… wir lassen uns überholen oder bleiben ein Stück zurück und dann wissen wir, wo die Pilger ankommen, es geht über den Praza de Inmaculada durch den Torbogen nördlich der Kathedrale, „stilvoll“ empfangen von einem katalanischen Dudelsackspieler (immer nur einer, aber stündlich wechselnd…), und endlich auf den ersehnten Platz, ach ne, nur nochmal 250 Meter weiter zur Registrierung, per QR Code und dann spuckt der Drucker das Pilgerzertifikat aus, Fotographieren verboten. Und dann erst auf den Platz!
Abends gehen auch wir zur Pilgermesse, was mich ungemein beeindruckt hat obwohl ich nichts verstanden habe. Es ist der unglaubliche Klang der Orgel, der Gesang, das Abendmahl. Die Kathedrale ist bis auf den letzten Platz gefüllt und wir haben Glück noch reingelassen zu werden. Zum Abschluss wird das 60kg schwere Weihrauchfass unter der Kuppel von 8 Männern geschwenkt. Es beschreibt dabei einen Halbkreis von fast 50 Metern Durchmesser und ist dabei knapp 70km/h schnell. Thomas hatte uns erzählt, dass man das wohl eingeführt hatte, weil der Geruch der Pilger nach dem langen Marsch so unschön war, dass dieser durch den Weihrauch neutralisiert werden sollte. Heute waren aber alle frisch geduscht und das Fassschwenken ein Spektakel. Danach tanzt das Volk dann auf der Strasse zu den Klängen einer Kapelle in Trachten.
Das I Tüpfelchen ist dann aber am nächsten Morgen ein geführter Besuch auf Dach und Turm der Kathedrale. Wir haben das Glück mit einer englisch sprechenden Studentengruppe mitgehen zu können. Das Dach ist aus Granit und seit 2004 wieder begehbar. Was soll ich dazu jetzt schreiben, es hat mich überwältigt, die Dimensionen des Bauwerkes, der Blick über die Stadt, der Blick von oben auf den Altar und die Orgel. Wer hier hinkommt, dem empfehle ich, das nicht auszulassen.
Mit dem Schnellzug geht es am Dienstagnachmittag nach A Coruñia aufs Boot und es heißt erst mal ankommen für Birte. Nur nicht lange, es ist für Donnerstag Regen angesagt und wir wollen dem mit einem Ausflug nach Porto entfliehen. Kurzentschlossen leihen wir uns für 2 Tage für 57€ einen Fiat 500 und machen uns auf den Weg nach
Porto
Es sind ca.250 km zu fahren, es geht durch eine beeindruckende Landschaft zur schönsten Stadt Portugals. Wir haben eigentlich gar keinen Plan, was wir machen wollen. Am ersten Abend bummeln wir nach einem angemessenen Tapas-Menü einfach nur durch die Gassen der Altstadt. Am nächsten Morgen stehen wir an der Promenade und freuen uns über den Blick auf den Douro. Hinter uns hält ein HopOn-HopOff Stadtrundfahrtbus und das ist es dann, rein, eine Route mit Umsteigen ausgesucht und los geht´s. Cool, mit Kopfhörern und deutschen Ansagen. Google Sterne: maximal 3! Positiv: wir fahren über den Rio Douro auf die Südseite und haben einen unbeschreiblichen Blick über die Stadt. Wir gehen zu Fuß über die Ponte Luis, die historische Eisenbahnbrücke die heute noch von der Metro befahren wird und dabei bedenklich vibriert und schwingt (was biegt bricht nicht….). Macht nichts, unvergesslich!. Den Bus haben wir hier verlassen, denn: Negativ: die Frequenz der Busse ist schlecht, gefühlt warten wir mehr an Haltestellen als das wir fahren, entweder auf den nächsten Bus nach einem HopOff, oder weil der Fahrer seine tarifliche 15 min Pause machen muss. Was soll´s, wir lassen uns den Spaß nicht nehmen, besuchen den eindrucksvollen Vorplatz der Kathedrale und lassen uns zum Schluss am Ufer des Douro durch die Bars und Restaurants, vorbei an Straßenmusikern und Kleinkünstlern, noch mal treiben. Für die Heimfahrt ab 20:00 haben wir uns entschlossen bis zum Dunkel werden am Atlantik entlang der Küstenstraße zu fahren. Hat meine absolute Empfehlung!
Zurück in A Coruña sind auf einmal Anna und Malin da. Gerne kommen sie zu uns an Bord auf einen Plausch. Die beiden leben bereits seit drei Jahren auf dem Boot und verdienen mit den sozialen Medien ihr Geld. Mein Respekt für ihre professionellen und dennoch authentischen Filme auf U-Tube. Die beiden haben aber auch ein Buch geschrieben, dass ich bei ihnen kaufe und mit Begeisterung verschlinge: Toll, locker, unterhaltsam geschrieben, hat meine unbedingte Empfehlung („Zwei Mädels, ein Boot, kein Plan“). Witzig, dass sich später herausstellt, das meine Tochter Elisa auf einer Ostseesegelreise in 2021 mit den beiden auf den Alands Mitsommernacht gefeiert hat.
Vivero, Cedeira und Ares Wir entschließen uns am nächsten Tag nach Vivero und auf dem Rückweg Cedeira zu segeln. Der Wind ist günstig bis zu wenig, aber wir haben ja genug Diesel und der Motor läuft gut. Viveiro hatte ich ja bereits auf der Hinreise besucht, und nun möchte ich mit meiner Frau noch mal auf den Mirador San Roque steigen um den grandiosen Blick auf die Bucht zu genießen, ich hatte ja schon in Bericht #3 geschrieben, dass ich hier nicht das letzte Mal gewesen bin. Außerdem lockt ein Treffen mit Jochen (Bericht #1) der hier auf Motorreparatur wartet. Er ist mit Niels aus Svendborg über die Biscaya gesegelt. Es wird ein freudiges Wiedersehen. Auf dem Rückweg geht es dann gemeinsam nach Cedeira, Jochen hat ein Treffen mit Jonas Manke verabredet, einem jungen Segler, der mit Videos auf U-Tube und Charter sein Geld verdient und seit drei Jahren unterwegs ist. Seit neuestem auf einer Swan 46. Es wird ein netter Grillabend am Strand mit teilweise sinnbefreiten Themen, aber muss ja auch nicht immer alles sinnvoll sein! Die Dunkelheit löst schließlich die Party auf.
Dieses Mal geht es vor Abfahrt nach A Coruna zu einem ausgedehnten Rundgang an Land durch den Ort: Überraschung! Super Infrastruktur, Cafees, Geschäfte, Bars, alles da! Hier ist ja wohl im Sommer der Bär los. Und ich bekomme endlich im Werkzeuggeschäft den lange gesuchten Bandschlüssel für den Ölfilter, der ist nämlich partout mit handfest drehen nicht dicht zu kriegen, sondern läßt immer wieder ein wenig Öl raus. Das ist mit dem neuen Baco Werkzeug aus der Schweiz abends dann endgültig vorbei!
Wir segeln weiter nach Ares, Vis á Vis von A Coruña. Eine super Fahrt, anfänglich sogar Wind und als I-Tüpfelchen Delphine. Ares empfehle ich sehr. Sehr freundliche Menschen in der Marina und auch ein netter, gepflegter Ort mit tollem Strand. Auch hier, keine Gastsegler aber zwei Holzboote mit deren Eignern ich schnell im Gespräch bin.
A Coruña, da war noch was: Was tut A Coruña wenn in Santiago gebetet wird: A Coruña tanzt, die Leute sind gut drauf und feiern in den Straßen der Altstadt. Birte und ich tauchen noch mal richtig ein und dann geht es für sie am Sonntag zurück nach Kiel. Schöne Tage waren es!
Zwei Monate bin ich jetzt unterwegs: Auch ich fahre am 28.06. über den Monatswechsel nach Hause. Birte singt mit ihrem Chor Jazzica in der Elbphilharmonie, unsere Tochter Elisa hat Geburtstag und es gilt auch noch die Studienplatzzusage für sie zum Musiklehrerstudium in Hamburg zu feiern.
Am 05.07 werden dann Klaus und Roswitha an Bord kommen, wir werden dann entlang der spanischen Nordküste nach Osten segeln und die Biscaya mit einem kleinen Schlag nach La Rochelle queren. Davon dann im nächsten Bericht von Bord!
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